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Wenn die Motivation flöten geht...

… hat schon mal jemand darüber nachgedacht, warum es heißt “etwas geht flöten”?
Bei allem persönlichen Schlagzeugerstolz – das haben die Flötisten dieser Weltsicher nicht verdient.     

Das Thema dieses Posts soll aber ein anderes sein: Motivation zu Probe und Auftritten
zu kommen … Motivation im Verein mitzuarbeiten … sich einer gewissen Verantwortung
bewusst zu sein und diese auch bewusst zu übernehmen. 

Das Problem dürfte wohl so ziemlich jeder Musikverein kennen:
miese Probenbeteiligung, schlechte Auftrittsbeteiligung und abseits der Musik rackern sich
immer die selben Leute ab – so zumindest das Gefühl. Die Frage nach dem “Warum” kann kaum
jemand befriedigend beantworten. Die Situation ist ja auch recht merkwürdig: Setzt man voraus,
dass jemand keine Lust mehr auf den Verein hat, würde ein Schlussstrich in Form eines Austritts
logisch erscheinen. Also läuft alles von Phase zu Phase: Verständnis für eine temporäre
Abwesenheit – Unmut über eine andauernde Abwesenheit – lautstarke Diskussion über
“den Saftladen von Verein” – Trennung im Streit. 

Mancherorts sind Worte wie “Probe” oder “Auftritt” richtig gehend negativ belegt. Ankündigung von
Probenentfall wird freudig aufgenommen, wie der Ausfall einer Schulstunde. Ein Auftritt, der das finanzielle
Überleben des Vereins sichert, wird hingegen als Belastung wahrgenommen. In einem Musikverein!?!
Hier stimmt doch etwas nicht. 

Oftmals geht mit den vorgenannten Problemen auch eine gewisse Ziellosigkeit einher.
Niemand weiß so recht, wohin die Reise geht. Abgesteckte Ziele, werden nur halbherzig angestrebt.
Und zur großen Verwunderung aller, klingt die Musik des Orchesters nur noch fad und träge dahin
gespielt, obwohl die Stücke rein technisch beherrscht werden. 

Wo liegen denn aber die Ursachen?

Nun: überall und nirgends.     

Formuliert man es ganz allgemein, dann heißt das Zauberwort “dauerhafte
Motivation”. Motivierte Vereinsmitglieder (ob nun Musiker oder nicht), sind Gold
wert, wichtig und unabdingbar für jeden Erfolg. Allein das “Wie” scheint
vielerorts gigantische Probleme zu verursachen. Dabei sind es die eigentlich
selbstverständliche Kleinigkeiten, die hier die Grundlage bilden. 

Fangen wir mit Wortwahl und Umgangston im Verein an. Hier muss sich
wirklich jeder fragen, wie seine Worte wirken. Kommt man öfter oberlehrerhaft
rüber? Muss man wirklich zu jedem Thema das letzte Wort haben? Lässt man
andere auch ausreden? Werden Ideen und Vorschläge aus eher unerwarteter
Ecke mit der gebotenen Ernsthaftigkeit behandelt oder schnell zerredet? 

Man mag sich jetzt denken: “klar – das sollte nicht zu schwer sein”.
Meine Erfahrung sagt mir aber, dass sich viel zu wenige Menschen auch
mal selbst hinterfragen. Für eine gute Vereinskultur ist das aber unbedingt
notwendig – in verantwortlicher Position mehr noch, als als “einfaches”
Mitglied. Oft hat eine schlechte Grundstimmung ihre Ursachen im
alltäglichen Miteinander – da muss es noch nicht einmal gekracht haben.
Der Prozess ist eher schleichend. Plötzlich realisiert man, dass die Stimmung
ziemlich mies ist und absolut niemand kann eine mögliche Ursache benennen. 

Also: sich selbst hinterfragen, Gesprächspartner als Partner wahrnehmen
(auch wenn sie 20 Jahre jünger sind) und notfalls auch einfach mal 
die Klappe halte.

Worte mit Bedacht wählen:

Ein weiterer Punkt dürfte vielerorts der sein, dass sich nicht alle Vereinsmitglieder ernst genug
genommen oder gar gegängelt fühlen. Meist mag das ein unterschwelliges Gefühl sein – oft genug
aber ein deutlich greifbares. Jeder Mensch muss gerade in einem Verein als Persönlichkeit respektiert
werden – ungeachtet fachlicher oder organisatorischer Stellung. Jede Satzung enthält einen Satz,
der die Ungleichbehandlung von Vereinsmitgliedern verbietet. Natürlich bilden sich Hierarchien.
Im Vereinsleben wird ein Vorstand gewählt, der eine gewisse Richtlinienkompetenz hat  –
aber keinesfalls über der Mitgliederversammlung steht. Allerdings erlebt man hier oft genug,
dass Vereinsbosse den Verein als “den ihren” ansehen. Da erscheinen dann Sätze “ich danke euch für
eure Mitarbeit” in einem anderen Licht. Auch wenn es haarspalterisch klingen mag: korrekt wäre
“ich danke euch dafür, dass ihr es ermöglicht habt, gemeinsam Erfolg zu haben”. Wir reden bei einem
Verein immer von einem freiwilligen Zusammenschluss – nicht von einem Angestelltenverhältnis.
Vielerorts wird das gern mal vergessen – wenn auch unbewusst. Fazit: auf die Wortwahl achten
Motivation und Förderung des Gemeinschaftsbewusstseins passiert gerade auch in vermeintlich
unbedeutenden Sätzen. 

Spezialfall:

Orchester

Orchester sind nichts demokratisches” … mit Verweis auf die gerade angemahnte bedachte Wortwahl,
sollte so ein Satz lieber nicht fallen. Politisch korrekt müsste er vielleicht in etwa “Orchester haben oft
eine stark hierarchische innere Organisationsstruktur” lauten. Jeder Musiker sollte wissen, dass bei Probe
oder Auftritt genau eine Person was zu sagen hat – der Dirigent bzw. der Probenleiter. In der Probe wird
nicht diskutiert, welches Stück aufgelegt werden soll. Es wird auch nicht darüber abgestimmt, in welchem
Tempo ein Stück gespielt, oder wie leise ein piano sein soll. All das liegt einzig und allein in der
Entscheidungsgewalt des Dirigenten. Jeder Musiker muss den Dirigenten in seiner Arbeit unterstützen.
Umgekehrt muss dem Dirigenten aber auch bewusst sein, dass er nur “mit” dem Orchester spielen kann.
Wenn man will, kann man hier eine win-win-Situation erkennen. Die Orchestermusiker unterstützen die
Arbeit des Dirigenten und verzichten hier zu einem guten Teil auf demokratische Mitspracherechte.
Der Dirigent tut alles, um die Musiker dabei zu unterstützen, als Orchester zu klingen. 

Kompetenzen klar abgrenzen und respektieren

Die Arbeit des Dirigenten beschränkt sich allerdings nicht nur auf Probe und Auftritt. Hier spielt der Faktor
“Organisationsstruktur im Verein” eine gewichtige Rolle. In vielen Vereinen existieren Ausschüsse, Arbeitsgruppen und
Leitungsrunden, die viel und gerne zu allen möglichen Themen beraten. Meiner Meinung nach sollten sich viele Vereine
die Frage stellen: muss man für jede Kleinigkeit einen Ausschuss haben? Muss bei jeder Entscheidung ein großer
Personenkreis diskutieren und abstimmen? 

Nehmen wir als Beispiel einen Repertoireausschuss. Vielerorts ist er verantwortlich für die Titelauswahl. Aber geht das konform
mit den Kompetenzen, die eigentlich dem Dirigenten zugebilligt wurden? Er ist schließlich dafür verantwortlich, dass das Orchester
eine gute Leitung bringt. Schlussendlich muss er einschätzen, welches Stück im Orchester funktionieren wird und welches nicht.
Auch die grundsätzliche Richtung der gespielten Stücke sollte in seiner Kompetenz liegen – lieber die neusten Ballermannhits
oder doch etwas mehr konzertant. 

Ausschüsse scheinen oft aus Sorge vor einem Machtverlust ihrer Mitglieder zu entstehen – das ist aber definitiv der falsche Weg.
Gestalten geht nur gemeinsam und mit Blick und Respekt für die Aufgaben einzelner - nicht auf die Art “wir geben ihm eine Aufgabe
und kontrollieren ihn dann über einen Ausschuss”. Mit einem bestimmten Posten wird auch eine bestimmte Aufgabe bzw. eine
bestimmte Verantwortung übergeben. Die ausgewählte Person sollte auch die Chance haben, ihrer Verantwortung gerecht zu
werden – ohne Bevormundung. 

Auf den Prüfstand gehören in Bezug auf die Organisationsstruktur dann sicher noch eine ganze Reihe von Fragen wie: 

  •               Wird ein Dirigent / Registerführer / Ausbilder gewählt oder z.B. vom Vorstand berufen? 

  •               Soll ein Dirigent auch Mitglied im Vereinsvorstand sein? 

  •               Hat der Vorstand auch Mitbestimmungsrecht in der Musik oder eher nicht? 

  •               Wer macht wann die Ansagen – in der Probe, beim Auftritt, auf der Vereinsfahrt, in der Versammlung? 

  •               Wer hat wo beratende Stimme bzw. wer darf wo entscheiden?
All dies läuft darauf hinaus, dass die Organisationsstruktur eines Vereins klar geregelt ist. Wird diese Struktur von allen
akzeptiert und gelebt, sollte es einen Unruheherd weniger geben. 

Deregulieren

Bei aller Strukturiertheit und Abgrenzungen darf eines nicht passieren:
Für jede Kleinigkeit eine Regel aufstellen (die sich dann womöglich ständig
noch ein klein wenig ändert). Regeln sind wichtig – ohne Frage. Aber Regeln
sollten klar, eindeutig, dauerhaft und nachvollziehbar sein. Regeln sollen auch
keine Verbote, sondern viel mehr Gebote sein. Beispiel: “Kein Alkohol beim
Auftritt” – finde ich persönlich gut und richtig, aber besser wäre es:
“Wir verzichten während der Auftritte auf Alkohol, weil wir ein für Eltern
positives Bild in der Öffentlichkeit darstellen wollen.” Ein gesundes Maß an
Regeln berücksichtigt, dass alle Vereinsmitglieder denkende Menschen mit
einem gewissen Maß an Verstand sind – das gilt insbesondere auch in Bezug
auf Kinder und Jugendliche. Zu viele Regeln und Verbote erzeugen irgendwann
immer ein Gefühl von gegängelt werden. Unsinnige Regeln werden irgendwann
ignoriert. Derjenige, der sie durchsetzen will, wird verspottet. Derjenige, der sich
gegängelt fühlt, wird irgendwann gehen. Zeit miteinander zu reden und Abhilfe
zu schaffen, oder?

Konfliktbewältigung

Konflikte und deren Bewältigung sind ein riesiges Themenfeld, über dem ganze Stämme
von Wissenschaftlern forschen. Ich meine, dass Konfliktbewältigung im einfachsten Grunde nicht
mehr als mit gesundem Menschenverstand, viel Respekt, etwas Souveränität, Selbstreflexion und gutem
Willen zu tun hat. Konflikte lassen sich kaum vermeiden, wenn Menschen aufeinander treffen.
Aber Konflikte lassen sich lösen.

Folgendes Beispiel, was mir zu Ohren gekommen ist, zeigt, wie man es definitiv nicht macht:
Der ausschlaggebende Punkt ist ein Auftritt im Winter. Alle waren soweit dabei – bei der Rückfahrt aber
fahren einige Musiker auf Grund von Krankheit direkt nach Hause und nicht zum vereinbarten Treffpunkt –
die Information darüber an den verantwortlichen scheint im allgemeinen Trubel untergegangen zu sein.
Ein paar Wochen später dann die jährliche Vereinsfeier. Das Geschirr muss abgewaschen werden.
Alle Anwesenden sollen sich in einen Kreis setzen. Der Vorsitzende sagt sinngemäß Folgendes:
“Beim letzten Auftritt sind einige Musiker nicht mehr zum Treffpunkt gekommen und haben sich nicht abgemeldet.
Ich weiß, wer das alles war. Ich erwarte, dass diese Musiker jetzt freiwillig das Geschirr abwaschen.” Selbstredend
wurde dann auch ein nettes Foto vom fröhlichen abwaschen geschossen.

Kurz analysiert: das geht gar nicht. Hier gibt es augenscheinlich einen Konflikt, der durch ein simples
Telefonat gelöst hätte werden können: “wo bleibt ihr denn? – wir hatten doch gerade gesagt, dass wir direkt
nach Hause fahren.” Fertig und gut. Wenn schon kein Telefonat – dann wenigstens eine Ansprache unter 4 Augen.
Dabei ist es egal, ob es sich hier um Kinder, Jugendliche oder Erwachsene handelt! Jeder verhält sich mal nicht
korrekt und jeder hat auch ein Recht darauf, sachlich darauf hingewiesen und dabei nicht vorgeführt oder bloß
gestellt zu werden. Solche Gespräche müssen in einem ruhigen Tonfall geführt werden. Der Ansprechende
muss sehr auf seine Wortwahl achten. Vorwürfe und Generalisierungen (“Du bist ja nie zum Auftritt da”) sind
nicht zielführend, belasten das Klima und sorgen schneller als einem lieb ist für eine verkürzte Mitgliederstatistik.
Und zu guter Letzt: auf einer Vereinsfeier haben konfliktbehaftete Themen absolut nichts zu suchen!

Du bist ja nie zum Auftritt da!

Das leidige Thema der scheinbar verschollenen Musiker … ein Konflikt, den wohl so ziemlich jedes Amateurorchester kennt.
Wie geht man aber nun mit den betroffenen Leuten um? Nun – auf keinen Fall nach dem Motto “je weniger Auftritte desto
weiter unten in der Hierarchie”. Vorführen und Bloßstellen sind wie gesagt absolute no-go’s. Auf der anderen Seite steht
gern mal die Annahme, quasi unersetzbar zu sein und deshalb tun und lassen zu können, was man will. Auch das ist ein
no-go. Ich denke, ein guter Lösungsansatz ist auf fachlicher Seite zu finden. Verschollene Musiker werden konsequent
aus der Besetzung genommen, bzw. dort eingesetzt, wo sie eher eine verstärkende bzw. ergänzende Funktion haben –
aber eben keine tragende Funktion mehr. Dabei kann es natürlich auch passieren, dass einzelne Stücke nicht mehr gespielt
werden können. Das mag alles nicht schön sein, aber ich denke ein Grundsatz in der Probenarbeit sollte sein, dass man mit
den Musikern arbeitet, die da sind – nicht mit denen, die da sein könnten. Darauf muss Besetzung und Repertoire
ausgerichtet werden. Darüber hinaus sind die Konsequenzen für den verschollenen Musiker erklärbar und es gibt natürlich
immer die Option, erneut umzubesetzen mit dem “Verschollenen” in tragender Funktion. Auch das sollte klar ausgesprochen
werden. Das Vorgehen mag aufwändig erscheinen. Eine rigorose Vereinfachung des Repertoires stößt womöglich auch bei
anderen Musikern auf wenig Gegenliebe. Eine Beförderung von eher zurückhaltenden Menschen in eine tragende Rolle mag
auch Ängste bei der betroffenen Person auslösen (Stichwort Verantwortung bewusst übertragen) . Aber in all dem liegt
immer auch die Chance, das Orchester und nicht zuletzt einzelne Musiker zu fördern und weiter zu entwickeln.
Das wiederum steigert die Motivation und motiviert Verschollene vielleicht wieder zu verstärkter Mitarbeit.

 

Ein letzter wichtiger Punkt, an dem es bei vielen Vereinen krankt, ist das Finden, Festlegen und Erreichen von Zielen.
Dabei geht es weniger um “wann ist unser nächstes Jahreskonzert” oder “auf dieser Meisterschaft wollen wir gut abschneiden”,
als viel mehr um Nachwuchsgewinnung, grundlegende musikalische Ausrichtung oder neue Uniformen.
Gut eignen sich hier Zukunftswerkstätten. Da dies aber den ohnehin schon sehr langen Blogpost sprengen würde,
behandle ich es in einem späteren Beitrag.

Wenn ich mal zusammenfassen darf...

Ein gutes Klima im Verein zu schaffen ist im Grunde gar nicht schwer. Schwerer ist es,
dieses Klima – und damit einhergehend die Motivation eines jeden Einzelnen dauerhaft
zu erhalten. Das bedarf einiger Arbeit – die aber jeder selbst erledigen kann. Im Grunde gilt es nur,
mit offenen Augen durch die Vereinswelt zu gehen und den eigenen Verstand zu nutzen.

  •           Sich ab und zu mal selbst hinterfragen
  •           auf die eigene Wortwahl achten
  •           allen Mitgliedern den Gleichen Respekt entgegen bringen
  •           Diskussionen annehmen aber nicht emotional und auf persönlicher Ebene führen
  •           Konflikte ruhig und sachlich lösen – nicht nachtragend sein
  •           sich der besonderen Verantwortung in besonderer Position / Funktion bewusst sein
  •           Kritik annehmen
  •           wenn es nötig ist, einfach auch mal die Luft anhalten, bis 10 zählen,
              die Faust in der Hosentasche machen und abhaken
  •           als Vereinsleiter darüber bewusst sein, dass man für den Verein arbeitet  –
              nicht die Mitglieder für den Chef
  •           wenn Verantwortung übertragen wird, dann ganz oder gar nicht –
              wer Verantwortung übernimmt, muss aber auch “liefern”
  •           besonders in leitender Position sich im Klaren darüber sein, dass man es mit
              freiwillig anwesenden, denkenden Persönlichkeiten jeden Alters mit einem eigenen
              Verstand zu tun hat
  •           als Dirigent darüber im Klaren sein, dass man nur mit dem Orchester
              erfolgreich arbeiten kann
  •           als Musiker darüber im Klaren sein, dass man nur mit dem Dirigenten
              erfolgreich arbeiten kann
  •           als Organisator im Verein auch mal einen Auftritt ablehnen, weil die Belastung
              einfach zu groß wird
Ein Verein ist also ein Ort, an dem Menschen gemeinsam etwas erreichen wollen – dazu aber
miteinander kommunizieren müssen, Kompromisse schließen und auch Konflikte bewältigen.
Es geht nicht darum, jede Entscheidung einstimmig zu fällen oder ein rosarotes-Marry-Poppins-Klima
zu schaffen. Das wäre wohl langweilig. Menschen machen die Welt mit ihren Ecken, Kanten und
Eigenarten interessant.